Der DEL-Linienrichter aus Bietigheim-Bissingen zieht ein positives Fazit nach dem NHL Exposure Combine. Eine offizielle Rückmeldung gab es aber nicht.
Tim Heffners Traum von der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL lebt weiter. Der 26-jährige Bietigheim-Bissinger war jetzt beim Officiating Exposure Combine der National Hockey League (NHL) für die Schiedsrichter in Buffalo im US-Bundesstaat New York. Was er aber daraus genau machen soll, weiß er selbst nicht. Denn es gab keine Rückmeldung, er hat nur seine eigene Einschätzung, wie er sich als einziger Europäer unter 95 US-Amerikanern und Kanadiern geschlagen hat. „Das einzige Feedback, das ich bekam, war nach den Eistests. Da hieß es: Es sah gut aus, wie ich auf dem Eis war, mach weiter so“, berichtet Heffner. „Da ich ja eingeladen war, hatte ich schon auf mehr gehofft. Deshalb war ich schon erst mal kurz geknickt.“
Kurzzeitig tief enttäuscht
Schnell hat der 26-Jährige die Enttäuschung aber wieder abgeschüttelt. „Ich habe mein Bestes gegeben“, erzählt Heffner. „Ich war ganz weit oben mit dabei – vor allem vom Läuferischen und vom Fitnesslevel. Natürlich waren da auch ein paar Biester dabei. Aber das ist nicht alles. Allein Geschwindigkeit auf dem Eis hat noch nie den besten Schiedsrichter ergeben. Und wenn man gesehen hat, wie schlecht einige von den Teilnehmern Schlittschuh gelaufen sind, hätte auch jeder andere Schiedsrichter aus der DEL sich locker bewerben und hingehen können.“
Der Bietigheim-Bissinger hat schon die nächsten Ziele ins Auge gefasst. Er möchte in der an diesem Donnerstag (19.30 Uhr/Magenta-Sport) mit der Partie des Meisters Red Bull München gegen die Düsseldorfer EG beginnenden Deutschen Eishockey Liga (DEL) als Linesman so gute Leistungen zeigen, dass er wieder für Spiele der Playoff-Finalserie eingeteilt wird. Außerdem würde er gerne bei der A-Weltmeisterschaft der U20 im Dezember in Schweden Spiele leiten. Und mittel- bis langfristig wären Einsätze bei der A-WM der Männer im nächsten Jahr und bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo ein Traum. Eine internationale A-Lizenz hat er vom Deutschen Eishockey Bund (DEB) zugewiesen bekommen – die Voraussetzung, auf höchstem Level von der U18 bis zu den Männern Spiele zu leiten.
Als Hauptschiedsrichter in Oberliga
Außerdem wird er weiter sein Ziel verfolgen, Hauptschiedsrichter zu werden. „Ich habe schon mit den Zuständigen telefoniert, dass ich gerne mehr Erfahrungen in der Deutschen Nachwuchs Liga (DNL), also der U20, und in der Oberliga der Männer sammeln würde“, erklärt Heffner. „Aber mein Hauptaugenmerk liegt zunächst weiter auf der Aufgabe als DEL-Linienrichter.“
Die vier Tage in Buffalo waren voll gepackt mit Tests und Wettbewerben. „Nach dem Einchecken und der Begrüßung am ersten Tag ging es am zweiten Tag bereits um 7 Uhr morgens los. Ich war gleich in der ersten Fitnessgruppe“, berichtet der 26-Jährige. Die erste Station war der Wingate-Test auf dem Ergometer, um die maximale muskuläre Leistung des Sportlers zu ermitteln. Heffner: „30 Sekunden alles geben. Da war mal kurz der Puls nach oben – und das Würgegefühl groß.“
Kraft- und Ausdauertests
Weitere Stationen waren Liegestützen und Sit-ups – jeweils mit fünf Kilogramm 30 Stück in einer Minute – Unterarmstütz zwei Minuten halten, wobei man im Wechsel jede Sekunde einen Fuß abheben musste, sowie Weit- und Hochsprung. Außerdem mussten die Teilnehmer den Fünf-Zehn-Fünf-Agility-Lauf, ein Richtungswechselsprint, und den Yo-Yo-Intervall-Ausdauertest absolvieren.
Eistests bekannt aus der DEL
Nach einer kurzen Pause ging es auf dem Eis weiter. „Die Eistests liefen ähnlich wie hier in Deutschland“, berichtet Heffner. Auf dem Programm stand ein Sprint von Bullypunkt zu Bullypunkt vorwärts und rückwärts auf Zeit, im Drittel Vorwärts-rückwärts-hin-und-her-Pendeln sowie ein Ausdauertest von der Torlinie zur roten Linie, drei Runden sechsmal hin und zurück – einmal vorwärts, einmal rückwärts, einmal im Wechsel vor- und rückwärts. „Da hat man schon gemerkt, wie die Oberschenkel in den letzten zwei, drei Runden anfangen zu glühen. Da kann man sie kaum noch hochheben“, erklärt der Bietigheim-Bissinger.
Was Heffner einzig gefehlt hat, war eine Rückmeldung. „Die Verantwortlichen der NHL-Schiedsrichter können auf all die Testdaten zurückgreifen. Das habe ich bei meinem Kanada-Trip im Frühjahr gesehen – inklusive farblicher Markierung, wer gut, durchschnittlich oder schlecht in den einzelnen Bereichen abgeschnitten hat. Aber wir als Teilnehmer bekommen nichts gesagt“, erzählt der 26-Jährige.
Zum Abschluss Turnier gespielt
Damit war der körperlich anstrengende Teil fertig. In den restlichen beiden Tagen wurde ein Turnier gespielt. Dafür wurden die 96 Teilnehmer in acht Gruppen à zwölf Kandidaten eingeteilt. Gespielt wurde jeder gegen jeder – zwei Teams gegeneinander, eine weitere Mannschaft stellte für jedes Drittel zwei Haupt- und zwei Linienrichter.
NHL Exposure Combine als Auswahlverfahren wie bei Spielern vor dem Draft
Die National Hockey League (NHL) hat sich nie systematisch darum gekümmert, gute Schiedsrichter zu rekrutieren. „Es gab mal eine Zeit, da hat man gesagt, der Schiedsrichter war gut, wenn 80 Prozent seiner Entscheidungen richtig waren. Heute kann er in 99 Prozent der Fälle richtig liegen. In Erinnerung bleibt aber der eine falsche Pfiff. Deshalb hört man immer, die Schiedsrichter müssen besser werden“, berichtet Stephen Walkom, Vizepräsident der NHL und Director of Officiating. Die Antwort war die Einführung des NHL Officiating Exposure Combine.
Das Combine ist teils Trainingscamp, teils Schiedsrichter-Fortbildung, teils eine Job-Börse. Die viertägige Veranstaltung hat das Ziel, Spieler mit der Welt der Spielleitung in Kontakt zu bringen. Während des Combines absolvieren die Teilnehmer Fitnesstests auf und abseits des Eises, spielen selbst Eishockey und leiten diese Partien. „Nicht jeder schafft es in die NHL“, sagt Al Kimmel, der Director of Scouting und Development der Schiedsrichter. „Es ist ähnlich wie bei den Spielern: Nur zwei, drei Prozent schaffen es, halt nur die absolute Elite.“
Wer es in die NHL geschafft hat, hat „einen verdammt guten Job“, wie es Clarence Campbell, der dritte Präsident der NHL, 1964 ausgedrückt hat. Aber es ist auch ein Knochenjob. Von Schiedsrichtern wird erwartet, dass sie mindestens 73 Hauptrundenspiele leiten, von Linesmen sogar 74. Dafür ist die Entlohnung fürstlich: Je nach Erfahrung erhalten Schiedsrichter ein Jahresgehalt zwischen 220 602 US-Dollar (ein Jahr) und 482 226 US-Dollar (16 Jahre und mehr) sowie Linienrichter zwischen 141 291 US-Dollar (ein Jahr) und 292 027 US-Dollar (20 Jahre und mehr). Für jede Playoff-Runde kommen für Schiedsrichter noch mal 27 000 US-Dollar und für Linesmen 17 250 US-Dollar oben drauf.
Quelle: Bietigheimer Zeitung vom 14.09.2023